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Joséphine Nicholas: Tage mit Gatsby

Once again to Zelda …

 

Sie sind fürs Erste fertig mit New York. Alles gesehen, alles erlebt – und (fast) alles ausgegeben. Die Fitzgeralds zieht es nach Paris, dem Künstler- und Ex-Pat-Hotspot der Zwanzigerjahre: Dort pulsiert das Leben, dort finden sich zahllose Gleichgesinnte, dort amüsiert man sich mindestens ebenso gut wie an der Ostküste, und all dies, Dollarkurs sei Dank, für bedeutend weniger Geld. Doch auch Paris bleibt letztlich nur eine Zwischenstation auf dem Weg an die französische Riviera. Hierher will vor allem Scott fliehen, um seinen neuen Roman zu schreiben. Und natürlich müssen Zelda und die kleine Tochter Scottie mit. Ob Zelda will? Das spielt keine Rolle. Es geht schließlich um den Künstler und sein Werk. Was Zelda überhaupt will – Selbstentfaltung, literarische Selbstverwirklichung, kurz: ein Leben, das nicht nur von Scott, seinem schriftstellerischen Schaffen und seinen Launen abhängt – ist ebenso nebensächlich. Denn es kann – nein: darf! – nur einen Schriftsteller in dieser Ehe geben! Und so zieht Zelda wie immer mit. Verliert sich. In der Langeweile. Der Unzufriedenheit. Dem Alkohol. Den Partys, die es letztlich doch gibt. In Scotts Schatten, aus dem er sie niemals entlassen wird. Und in der Liebe zu Jozan …

 

Was. Für. Ein. Buch! Die Geschichte dieses ebenso schönen wie verdammten Paares, dessen Capricen die Gesellschaft in Atem gehalten haben, ist schon mehrfach erzählt worden, nicht zuletzt von Fitzgerald selbst, der sich für seine Romane und Kurzgeschichten schamlos nicht nur an seiner eigenen Ehe, seiner Frau und ihrem gemeinsamen Leben bedient hat, sondern auch an Zeldas Gedankenwelt – und ihrem Tagebuch. Dass sich beim Lesen von Tage mit Gatsby selbst für ausgemachte Fitzgerald-Kenner*innen kein „Habe ich irgendwo alles schon mal gelesen“-Gefühl einstellt, ist dem großen Talent der Autorin Joséphine Nicholas zu verdanken. In ihrem Debüt steht Zelda, dieses betörende, schillernde, zerrissene Geschöpf, im Mittelpunkt: Sie ist es, die als Ich-Erzählerin von jenem Sommer 1924 in Südfrankreich berichtet, und das auf sprachlich so vortreffliche Weise, dass ich in jeder Zeile, in jedem Gedanken, in jedem Dialog und jedem Streit meinte, sie zu hören. Poetisch. Atemberaubend. Herzzerreißend.

 

Tage mit Gatsby gehört zu meinen Lesehighlights dieses Jahres – und ich möchte euch die Lektüre aller-aller-wärmstens ans Herz legen!

 

[Werbung/Rezensionsexemplar. Ich danke dem DuMont Verlag und der Lesejury herzlich für die Bereitstellung des Leseexemplars sowie die Möglichkeit, an der dazugehörigen Leserunde teilzunehmen.]

 

PS: Wer nach dieser Lektüre noch "mehr davon" will: Schaut doch mal hier auf dem Blog nach Der große Gatsby, Die Schönen und Verdammten oder Zärtlich ist die Nacht. Und wer eine Biografie bevorzugt: die von Michaela Karl ist aus meiner Sicht herausragend!

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