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Marie NDiaye: Ein Tag zu lang

Das Wetter ist – zumindest in Düsseldorf – trüb und herbstlich, der Sommer verblasst zu einer zunehmend fernen Erinnerung. Sie scheint vorerst vorbei, die Zeit, in der ich draußen saß, gekühlten Rosé trank, die Sonne im Gesicht spürte. Mit leisem Bedauern denke ich, ach, wenn ich doch wieder dort sein könnte … oder besser doch nicht?! Was passiert eigentlich in und mit den vielen Urlaubsorten, wenn wir TouristInnen wieder weg sind? Gehören sie dann wieder den Einheimischen? Was machen sie dort, wenn wir nicht mehr da sind? Ist das Leben ein anderes als in der Hochsaison? Wäre es nicht spannend, einfach mal länger zu bleiben und zu schauen, was passiert?

 

Nun, wenn man der Geschichte glaubt, die Marie NDiaye in Ein Tag zu lang (aus dem Französischen von Claudia Kalscheuer) erzählt, sollte man Ansinnen dieser Art tunlichst unterlassen. Der Protagonist Herman, Lehrer aus Paris, verpasst die pünktliche Abreise aus seinem Ferienort in der französischen Provinz. Anstatt sich wie üblich am 31. August auf den Rückweg zu begeben, bleibt er einen Tag zu lang – seine Frau und sein Sohn sind verschwunden, eine Heimreise ohne die beiden ist selbstverständlich undenkbar. Ein Tag zu lang – und das Wetter ändert sich schlagartig. Ein Tag zu lang – und der vertraut gewordene Ferienort ist Herman gänzlich fremd. Ein Tag zu lang – und seine Mitmenschen scheinen wie ausgewechselt. Ein Tag zu lang – und die Welt ist eine andere.

 

Ein Tag zu lang ist eine buchstäblich fantastische Reise hinter die Kulissen und Fassaden der Ferientraumwelt: teils grotesk, teils surreal, maximal lesenswert.

 

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Marie NDiaye: Ein Tag zu lang. Aus dem Französischen von Claudia Kalscheuer. Suhrkamp Verlag 2012. 159 S.

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