„Dieses Haus, aus Papier gebaut, ist zu etwas Festem geworden, das der Zeit standhält. Dieses Haus, dieser Ort: alle meine Geheimnisse sind hier.“
Man könnte den Inhalt des Romans in wenigen Worten zusammenfassen: Eine Frau macht mit Mann, Kindern und Mutter Urlaub im familieneigenen Ferienhaus, dem „Papierpalast“. Dort trifft sie ihre Jugendliebe wieder, und nach einem alkoholseligen Abend schlafen sie miteinander. Und jetzt?
Ein typischer Frauenroman, könnte man meinen. Ein Sommerroman. Ein Frauen-Sommer-Roman. Könnte man meinen. Tatsächlich ist dieser Roman – zumindest in meiner Wahrnehmung – so unendlich viel mehr, wobei es mir außerordentlich schwerfällt, die richtigen Worte dafür zu finden, was seine Besonderheit für mich ausmacht. Ich versuche es trotzdem einmal.
Es beginnt mit dem Aufbau des Romans in Rahmen- und Binnenhandlung, wobei die Rahmenhandlung einen einzigen Tag umfasst, die Binnenhandlung – lose zusammenhängende Erinnerungen der Protagonistin – hingegen mehrere Jahrzehnte: Schlaglichter auf ihre eigene Vergangenheit, aber auch auf die ihrer Schwester, Mutter und Großmutter. Vier Frauenleben, deren Alltäglichkeit (?) eine Geschichte von Gewalt und Kompromissen, von Unterlegenheit und Selbstbehauptung, von Suchen und Finden, Lieben und Verlieren erzählt. Es geht weiter mit den berückend sperrigen Frauenfiguren, die Fehler begehen, lieben,verabscheuen, wegschauen, die Handlungen vollführen, die sie besser unterlassen, und Handlungen unterlassen, die sie besser vollführt hätten. Da ist ferner die träge Sommerferienatmosphäre, in der sich die Stunden dehnen, sich alles verzögert abzuspielen scheint, während doch so viel passiert. Und dann ist da noch das Ende, das … ich hier unerwähnt lassen muss, um nicht zu spoilern.
Der Papierpalast (aus dem amerikanischen Englisch von Susanne Höbel) ist eines meiner unangefochtenen diesjährigen Highlights. Große Leseempfehlung!
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Miranda Cowley Heller: Der Papierpalast. Aus dem amerikanischen Englisch von Susanne Höbel. Ullstein Buchverlage 2022. 445 S.
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