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Betty Smith: Ein Baum wächst in Brooklyn

„6. Juli: Heute haben wir mit dem Nordpolspiel angefangen. 7. Juli: Nordpol. 8. Juli: Nordpol. 9. Juli: Nordpol. Erwartete Rettung nicht gekommen.“

„Nordpol“ – das ist das fantasievolle Synonym, das Francie Nolans Mutter für jene Tage erfand, in denen die Familie nichts zu essen hat. Und davon gibt es einige bei den Nolans, Francies deutsch-irischer Familie. Francie wächst zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Williamsburg, Brooklyn, auf, und dass sie sich von den schwierigen Lebensumständen nicht unterkriegen lässt, hat sie zum einen den wunderbaren, starken Frauen in ihrer Familie zu verdanken, ihrer Mutter und ihren Tanten:

„Das waren die Rommely-Frauen: (…) Sie waren alle schlanke, zerbrechliche Wesen mit staunenden Augen und sanfter, flatteriger Stimme. Doch sie waren aus dünnem, unsichtbaren Stahl.“

Auf ihren geliebten, doch leichtlebigen Vater, den singenden Kellner Johnny Nolan, kann Francie nicht zählen – dafür ist er zu häufig „krank“.

Und dann ist da noch Francies Liebe zu Büchern. Aus seiner Lektüre schöpft das Mädchen Kraft und Hoffnung – wie ein Baum, der auch im staubigen, unwirtlichen Brooklyn wächst.

Betty Smiths autobiografisch geprägter Roman wurde 1944 für den Pulitzerpreis nominiert – und es ist fast unvorstellbar, dass er schließlich gegen „Journey in the Dark“ von Martin Flavin unterlag. „Ein Baum wächst in Brooklyn“ ist die wundervolle, bezaubernde und verzaubernde Geschichte einer Kindheit, die trotz aller Widrigkeiten von Liebe und Hoffnung, von Zusammenhalt und Durchhaltevermögen, von Fantasie und Würde getragen wird. 

Der Roman liegt seit letztem Jahr in einer neuen, aus meiner Sicht überaus gelungenen Übersetzung von Eike Schönfeld vor. Ein Dankeschön an den Insel Verlag für diese literarische Reanimation!

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