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Ken Follett: Kingsbridge-Saga

Schmöker, der: Substantiv, maskulin; dickeres, inhaltlich weniger anspruchsvolles Buch, das die Lesenden oft in besonderer Weise fesselt.

(Definition laut Duden)

 

Die Tage werden kürzer, das Laub färbt sich orange, gelb und rot, es riecht nach feuchter Erde und Holzrauch, morgens liegt Raureif auf den Gräsern: Es ist Herbst, die perfekte Zeit für cosy Leseabende mit Wolldecke und Tee. Und einen „Schmöker“, der diese Bezeichnung verdient. Die Kingsbridge-Saga von Ken Follett ist in dieser Hinsicht eine sichere Bank. Ausgehend von seinem Welterfolg Die Säulen der Erde unterhält Follett seine Leser*innen seit mehr als dreißig Jahren mit den Geschehnissen in der fiktiven Ortschaft Kingsbridge. Soeben ist mit Die Waffen des Lichts der nunmehr fünfte – und wohl letzte – Band der Erfolgsreihe erschienen, und auch er verspricht ein weltweiter Bestseller zu werden.

 

Ein Grund dafür liegt zweifellos in der Verlässlichkeit, mit der Follett die Erwartungen seiner Leserschaft erfüllt; Figurentableau und Handlungsablauf folgen stets weitgehend demselben – durchaus funktionierenden – Schema: 

  • Die Handlung spielt in politisch oder sozial brisanten Zeiten (Hundertjähriger Krieg, Glaubensstreit, Pest, Wikingerangriffe, Industrialisierung … etc.).
  • Es gibt mindestens einen Sachverhalt, mit dessen intensiver Recherche und korrekter Darstellung der Autor dem Vorwurf vermeintlicher Anspruchslosigkeit seines Romans trotzt (Kathedralen- oder Brückenbau, Münzprägung usw.).
  • Die Figuren decken alle drei Stände ab, also Klerus, Adel sowie Bauern- oder Handwerkerschaft bzw. Bürgertum.
  • Der Protagonist ist ein aufrechter Jüngling ohne Geld, Status oder Einfluss, dafür mit einer außergewöhnlichen Begabung, einem treuen Herzen und einem unverrückbaren Sinn für das, was richtig ist.
  • Die Protagonistin ist eine ebenso kluge wie schöne junge Frau, bevorzugt adlig, die gesellschaftlich weit über dem Protagonisten steht und ihn deshalb nicht erhören darf. Stattdessen heiratet sie einen sozial passenderen, aber unzulänglichen Mann, der sie – natürlich – nicht glücklich macht, da er entweder zu engstirnig oder ein Einfaltspinsel oder beides ist. (Alternativ entzieht sie sich der ausweglosen Situation mit einer Flucht ins Kloster.)
  • Ebenso wenig fehlen darf der gute Hirte, in aller Regel ein menschenfreundlicher, herzensguter Mönch, der mit Tatkraft und Diplomatie, Scharfsinn und Güte allen Widrigkeiten trotzt.
  • Ihnen steht eine Phalanx unterschiedlicher Widersacher*innen gegenüber, z. B.: der teuflische Kleriker, der nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist; der korrupte Was-auch-immer, der mit dem teuflischen Kleriker unter einer Decke steckt; das intrigante Weib, das der edlen Protagonistin aus Egoismus oder Neid, Missgunst oder mangelndem Selbstwertgefühl Übles will; der aristokratische Trottel, der über wenig Grips, aber jede Menge kriminelle Energie verfügt. Wichtig: Immer wieder scheint es, als gewännen die Bösen die Oberhand. Ebenso wichtig: Das Gute siegt. Immer.

Für die einen mag das schlicht klingen, einfallslos. Belanglos gar. Für mich aber ist ein historischer Roman von Ken Follett wie ein heißer Kakao mit extra Sahne. Und Eierlikör. Und Streusel obendrauf: Nichts für jeden Tag, doch bisweilen einfach un-ver-zicht-bar. Manchmal darf, nein: muss es eben ein Schmöker sein …

 

[Werbung/unbezahlt/unbeauftragt]

 

Ken Follett: Die Waffen des Lichts. Übersetzt von Dietmar Schmidt und Rainer Schumacher. Lübbe Verlag 2023. 880 S.

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