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Laetitia Colombani: Das Haus der Frauen

Seufz. Nein, das war leider nicht meins.

 

Ich habe mich sehr auf den Roman gefreut, da ich Laetitita Colombanis Der Zopf wirklich sehr mochte. Doch leider blieb Das Haus der Frauen weit hinter meinen Erwartungen zurück.

 

Der Roman wird auf zwei Ebenen erzählt: 

Im Paris der Gegenwart entschließt sich die Top-Anwältin Solène nach einem Burn-out, sich ehrenamtlich als „Öffentlicher Schreiber“ für ein Frauenhaus – „Das Paradies der Frauen“ – zu engagieren. Dort wird sie, wen wundert’s, mit nahezu allen Formen menschlichen, speziell weiblichen Leids konfrontiert: Flucht. Häusliche Gewalt. Genitalverstümmelung. Vergewaltigung. Chancen- und Perspektivlosigkeit gleichsam von Geburt an, weil man durch sämtliche sozialen Netze rutscht. Und das ist offenbar etwas, das sie, die bestens ausgebildete Juristin aus bürgerlichem Elternhaus, sich nicht einmal ansatzweise vorstellen konnte.

Im zweiten Handlungsstrang, der 1925 spielt, wird die Geschichte Blanche Peyrons erzählt, einer unbeirrbaren Heilsarmistin, deren unermüdlichem Einsatz der „Palast der Frauen“ seine Entstehung verdankt.

 

Es ist zweifellos zulässig, wenn nicht gar löblich, sich in einem Roman der Gewalt an und dem Leid von Frauen in allen erdenklichen Facetten zu widmen. Gleichzeitig ist es ebenso zweifellos eine nicht zu unterschätzende Herausforderung, dieses komplexe Thema literarisch so aufzubereiten, dass es nicht zum bloßen Topos – oder schlimmer noch, Klischee – gerinnt. Und das gelingt der Autorin aus meiner Sicht bedauerlicherweise nicht. Vielleicht liegt es der Vielzahl der tragischen, schmerzvollen Geschichten, die Solène zu hören bekommt, dass die Einzelschicksale über eine oberflächliche Beschreibung nicht hinausgehen. Auf jeden Fall aber liegt es an der schockierenden Einfalt der Protagonistin, in deren Wahrnehmung sich diese Geschichten spiegeln. Diese Hauptfigur ging mir, mit Verlaub, dermaßen auf den Zeiger, dass ich vor Wut beinahe mit den Zähnen knirschte.

 

Dazu nur zwei Beispiele: 

Die – überwiegend schwer traumatisierten – Frauen beäugen sie anfänglich misstrauisch, und es will so gar keine ihre Hilfe, wo sie doch ganz adrett mit ihrem Macbook im Aufenthaltsraum sitzt? Warum nur?!

Eine der Frauen bittet Solène, für sie einen Brief an eine Supermarktkette aufzusetzen, weil sie um zwei Euro betrogen wurde. Eeecht?! Zwei Euro?! Hmmm, mal nachdenken … Ups, zwei Euro sind für eine Sozialempfängerin , die jeden Cent dreimal umdrehen muss, ja echt viel Geld! (Ach nee?!) 

 

Natürlich lernt Solène waaaahnsinnig viel über die echte Welt da draußen, die, man denke nur, so ganz anders ist als ihre Arbeit in der Top-Kanzlei und die fancy Champagnerempfänge im eleganten Ambiente, die sie – natürlich nur von Berufs wegen – früher besuchen musste. Und natürlich hat auch sie ihr Päckchen zu tragen, denn, Obacht, es ist ja auch nicht alles Gold, was glänzt. Solènes Arbeit absorbierte sie vollständig; Urlaub, Freunde, Freizeit – war im Laufe der Zeit alles nicht drin. Und eigentlich wollte sie ja auch viel lieber Schriftstellerin werden, aber ihre Juristen-Eltern waren dagegen. Und ja, auch ihr Herz wurde gebrochen: Ihre große Liebe Jérémy wollte nie Kinder, sie fügte sich – und jetzt, einige Jahre nach der Trennung, die sie selbstverständlich noch immer nicht verwunden hat, erspäht sie ihn doch tatsächlich mit einer jungen Frau und einem kleinen Kind im Kinderwagen! (Wer sich jetzt an diese eine Episode aus Sex And The City erinnert fühlt, in der Carrie nach längerer Zeit Aidan wiedersieht – mir ging’s genauso.)

 

Ich könnte mich jetzt auch noch über die, nennen wir es: unterkomplexe Sprache auslassen (schlichte Syntax, banales Vokabular) – aber ich glaube, meine Meinung ist auch so deutlich genug geworden. Ich bedaure es wirklich aufrichtig, dass mich dieser Roman so gar nicht überzeugen konnte. Ich wollte ihn echt mögen – aber Solène hat mir einfach den letzten Nerv geraubt. Und zwar so sehr, dass die überaus interessante Entstehungsgeschichte des (realen!) „Palais de la Femme“ und seiner Initiatorin meinen Leseeindruck leider nicht verbessern konnte. 

 

Nichtsdestotrotz danke ich dem S. Fischer Verlag und NetGalley von Herzen für das mir kostenlos zur Verfügung gestellte E-Book.

 

[Werbung/Rezensionsexemplar]

 

Laetitia Colombani: Das Haus der Frauen. Aus dem Französischen von Claudia Marquardt. S- Fischer Verlage 2020. 256 S.

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