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Grégoire Delacourt: Die Frau, die nicht alterte

„Das Alter ist ein Triumph.“

 

So endet Die Frau, die nicht alterte von Grégoire Delacourt, ein Buch, das sich mit dem Altern – oder vielmehr Nicht-Altern – befasst. Erzählt wird die Geschichte von Martine, die mit dreißig Jahren aufhört, äußerlich älter zu werden. Zunächst fällt dies gar nicht auf, doch ein auf Jahrzehnte angelegtes Foto-Projekt, dessen Teilnehmer jedes Jahr fotografiert werden, bringt es ans Licht: Man sieht ihr das wahre Alter einfach nicht an. Was zunächst klingt wie der Traum vieler Frauen, wird mehr und mehr zur Last. Ihr Ehemann, der mit Martine alt werden wollte (und das buchstäblich), zieht sich zurück. Ihr kleiner Sohn wird zum Jugendlichen, zum jungen Erwachsenen, zum Erwachsenen, doch seiner Martine sieht man zusehends weniger an, dass sie seine Mutter ist. Ihre beste Freundin Odette hadert mit dem eigenen Alter und unternimmt alles, um jung auszusehen – ohne jedoch darin das erhoffte Glück zu finden. Schließlich sieht Martine nur noch einen Ausweg und trifft eine drastische Entscheidung.

 

Ich brauchte eine Weile, um mich auf den Roman einlassen zu können, denn der Erzählstil ist sachlich, ja nüchtern: Chronikartig werden Martines erste Lebensjahre beschrieben, darunter auch Kleinigkeiten und (scheinbare) Belanglosigkeiten, wie „Seitdem ich abgestillt war, trank ich einen halben Liter Kuhmilch pro Tag … Mit drei Jahren ergänzten vier große Backenzähne die Sammlung in meinem Mund, die schon acht Schneidezähne, vier kleine Backenzähne und vier Eckzähne umfasste.“ (Pos. 16ff.) 

 

Diese Nebensächlichkeiten zeigen, dass die ersten drei Lebensjahrzehnte der Protagonistin nicht im Geringsten erahnen lassen, welches merkwürdige Schicksal ihr beschieden ist, machten mir den Einstieg in den Roman aber auch etwas zäh. Dies änderte sich jedoch, als Martines fehlendes Älterwerden bemerkt wird und sie selbst sowie ihre Umwelt mit diesem denkwürdigen Umstand umgehen muss. Von diesem Moment an hatte mich die Geschichte gepackt und ließ mich auch lange nach Beendigung der Lektüre nicht mehr los: Wie wäre es tatsächlich, (äußerlich) nicht mehr zu altern? Ist das überhaupt erstrebenswert? Wie muss es sich anfühlen, wenn der eigene Sohn einen bittet, sich als Cousine auszugeben, weil er seiner Freundin unmöglich eine solch junge Frau als seine Mutter vorstellen kann? Ist Schönheit zwangsläufig nur mit Jugend gleichsetzbar? Warum fällt es vielen so schwer, sich mit dem alternden Äußeren zufriedenzugeben? 

 

Tatsächlich ist mir (erneut) bewusstgeworden, dass ich keine Probleme mit dem Älterwerden habe, denn die Alternative ist doch, machen wir uns nichts vor, ungleich bescheidener. Ja, ich merke, dass ich keine zwanzig mehr bin. Wenn ich - was zugegebenermaßen immer seltener vorkommt - eine Nacht lang feiere, bin ich am nächsten Morgen alles andere als fit. Am übernächsten übrigens auch nicht ... die Regeneration dauert irgendwie von Mal zu Mal länger. Und wenn ich morgens entdecke, dass ich mir über Nacht durch ein verkrumpeltes Kissen eine formschöne Knitterfalte ins Gesicht gelegen habe, ist die auch nicht mehr unmittelbar nach der Dusche weg, sondern begleitet mich noch eine Weile durch den Tag. Doch ist das ein ernsthaftes Problem? Nein. Denn so sehr es auch wie eine abgedroschene Phrase klingen mag: Ich bin gesund. Ich habe eine tolle Familie. Ich lebe in Sicherheit. Darauf kommt es (mir) an.

 

Ja, meine Zwanziger waren aufregend. Meine Dreißiger brachten viel Neues. Doch meine Vierziger, also jetzt, sind mein bislang bestes Jahrzehnt. Und das darf man auch sehen, denn jede einzelne meiner Falten ist erlebt, erliebt, erlitten und erlacht. 

 

Und so lautet mein Fazit: Die Frau, die nicht alterte ist ein sanftes, stilles Buch, das zum Nachdenken (nicht nur) über das Altern anregt und das ich vor allem wegen seiner mentalen Nachwirkungen empfehlen kann!

 

[Werbung wg. Verlinkung/Rezensionsexemplar. Ich danke NetGalley.de und dem Hoffmann und Campe Verlag herzlich für die kostenlose Bereitstellung des E-Books.]


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