„Ich habe ihm in die Augen geschossen.“
Mit diesen ebenso schlichten wie bestürzenden Worten beschreibt die Ich-Erzählerin den Mord an ihrem Mann, um dann Satz um Satz, Seite um Seite die Geschichte ihrer ereignislosen Mädchenjahre, ihres eintönigen Alltags, einer unromantischen Werbungsphase, die schließlich in eine lieblose Ehe mündet, zu enthüllen.
Es ist ein einsames, monotones Leben, das die junge Frau führt, als sie den um einiges älteren Alberto, einen „anständigen, hochangesehenen Mann in ausgezeichneter gesellschaftlicher Position“ kennenlernt. Man trifft sich, geht spazieren und in Cafés, und sie, die Unerfahrene, Unbedarfte, ist bald überzeugt, in ihn verliebt zu sein. Denn:
„Wenn ein Mädchen viel allein ist und ein recht gleichförmiges, mühevolles Leben führt, mit wenig Kleingeld in der Tasche und abgewetzten Handschuhen, geht es mit der Phantasie vielen Dingen nach und ist schutzlos den Irrtümern und Gefahren ausgesetzt, die die Phantasie jeden Tag für alle Mädchen bereithält.“
Als Alberto ihr einen Heiratsantrag macht, lässt er keine Zweifel daran, dass er sie nicht liebt. Dass sein Herz seit Jahren einer anderen Frau, ihrerseits verheiratet und damit unerreichbar, gehört. Und doch lässt die Protagonistin sich darauf ein, bemüht, sich in ihrem neuen Dasein einzurichten, das ihr trotz allem immer noch verheißungsvoller zu sein scheint als das bisherige. Nach einem unerwarteten Schicksalsschlag sieht sie jedoch nur einen einzigen Ausweg …
Mit So ist es gewesen (Übersetzung: Maja Pflug) gelang Natalia Ginzburg 1947, einer der bedeutendsten modernen Autorinnen Italiens, der literarische Durchbruch, und ich kann die damalige Begeisterung auch 80 Jahre später absolut nachvollziehen. Erzählt wird die Geschichte einer Beziehung, die von Anfang an ein unüberbrückbares Ungleichgewicht aufweist: Hier der ältere, erfahrene, wohlhabende Mann, der sich jede Freiheit nimmt und tut, was er will; dort die unbedarfte junge Frau, die sich den von ihm diktierten Umständen fügt und dabei die eigenen Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse unterdrückt – bis sie zum denkbar drastischsten Mittel greift: der Gattenmord als letzter Akt der Selbstermächtigung.
Die Sprache dieses kurzen, gerade einmal 93 Seiten umfassenden Romans ist betont schlicht, der Ton lakonisch, die Protagonistin treuherzig-naiv; die Story wird in Form eines einzigen, von nur wenigen Absätzen unterbrochenen Monologs erzählt – all dies ist zweifellos sehr speziell und wird möglicherweise nicht jede*n abholen. Auch ich brauchte eine Weile, um hineinzufinden, doch dann wurde ich schier mitgerissen von dieser Geschichte. Deshalb gibt es von mir eine klare Leseempfehlung!
Natalia Ginzburg: So ist es gewesen. Aus dem Italienischen von Maja Pflug. Verlag Klaus Wagenbach 2017. 96 S.
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