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Franziska Fischer: In den Wäldern der Biber

„An diesen Ort gehören wir. Niemanden interessiert, was vorher war.“

 

Freund weg. Damit Wohnung weg. Und letztlich auch Job weg. Alinas Leben in Frankfurt liegt in Scherben. Wobei – „Leben“ hätte man dieses Dasein, das in allererster Linie aus zu viel Arbeit und zu wenig Erfüllung, aus zu vielen Gewohnheiten und zu wenig Reflexion bestand, eh nicht mehr nennen können. Alina flieht zu ihrem Großvater Siegfried in das Dörfchen Spechthausen. Hier hat sie in ihrer Kindheit unvergessliche Sommerferien verbracht, bis diese ein jähes Ende fanden und der Kontakt zu den Großeltern abbrach. Als Alina unangemeldet vor Siegfrieds Tür steht, stellt er keine Fragen, sucht nicht nach Antworten, sondern nimmt seine Enkelin ganz selbstverständlich bei sich auf. Und Alina kommt zum ersten Mal seit Jahren zur Ruhe. Innerlich und äußerlich, körperlich, seelisch und geistig. Die besten Voraussetzungen für eine existenzielle Neuordnung – denn noch ist die Frage, wahr Leben weitergehen soll, nicht beantwortet.

 

Ein bisschen Heidi in den Bergen, ein bisschen Alte Sorten und ganz viel Sehnsuchtsort: In ihrem Roman In den Wäldern der Biber schafft Franziska Fischer eine betörende Atmosphäre der Entschleunigung und Naturverbundenheit, die während der Lektüre eine suggestive, ja beinahe meditative Wirkung entfaltet. Obgleich ich mich als Stadtmenschen durch und durch bezeichnen würde, verspürte ich plötzlich unbändige Lust, mich in eine leicht marode Villa auf dem Land zurückzuziehen und mein Leben fortan damit zu verbringen, Hühner zu füttern und Marmelade einzukochen, den Garten zu pflegen und durch den Wald zu streifen – kurzum mir meinen eigenen Sehnsuchtsort zu schaffen und ihn nie wieder zu verlassen. Gleichzeitig gelingt es der Autorin – und das ist ihr hoch anzurechnen! –, bei aller bestrickenden Ruhe und Natur keinen wirklichkeitsblinden Eskapismus heraufzubeschwören; vielmehr bleiben die überaus realitätsnahen Fragen, wie lange Alinas neue Gegenwart Bestand haben und wie ihre Zukunft aussehen kann, stets präsent.

 

Ein wunderbares Buch zum Innehalten, Durchatmen und – (anders) Weitermachen.

 

[Werbung/Rezensionsexemplar. Ich danke dem DuMont Verlag und der Agentur ehrlich & anders herzlich für das mir kostenlos zur Verfügung gestellte Leseexemplar und das bezaubernde Buchpaket.]

 

Franziska Fischer: In den Wäldern der Biber. DuMont 2022. 320 S.

 

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