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name it!

Die jüngst erfolgte Aufdeckung einer an Widerwärtigkeit und Abscheulichkeit kaum zu überbietenden Tat hat – wieder einmal – einen Terminus in den Fokus der medialen Aufmerksamkeit gerückt, der mich immer wieder aufs Neue erschüttert. Und das nicht nur, weil er auf diese Straftaten hinweist, sondern weil er aus meiner Sicht ebendiese Taten (zweifellos unbeabsichtigt) abschwächt: den „Kindesmissbrauch“.

 

Wenn eine erwachsene Person gegen ihren Willen und unter Androhung oder Ausübung von Gewalt zum Geschlechtsverkehr gezwungen wird, spricht man von „Vergewaltigung“, ein Begriff, der den Wesenskern der Tat im Namen trägt: Gewalt. VerGEWALTigung.

Wenn derselbe brutale Akt einem Kind widerfährt, nennt man es größtenteils „Kindesmissbrauch“. „MISSbrauch“. Wie in „Drogenmissbrauch“ oder „Alkoholmissbrauch“ oder „Amtsmissbrauch“ oder „Rechtsmissbrauch“. Gemeint ist, wie einer Definition im Netz zu entnehmen ist, etwas „(vorsätzlich) falsch, der eigentlichen Bestimmung o. Ä. zuwiderlaufend [zu] gebrauchen bzw. etwas „in übermäßigem, sich schädlichen auswirkendem Maß zu sich [zu] nehmen“. Aber impliziert dieser Begriff (meine Lesart) nicht auch automatisch, dass es ein Gegenteil dazu gibt, also den sachgemäßen, maßvollen, verantwortungsbewussten „Gebrauch“? Für Amt oder Macht, Drogen oder Alkohol mag das zutreffen. Aber für Kinder?! 

 

Ich bin keine Juristin und maße mir nicht an, über juristische Begrifflichkeiten zu referieren. Ich bin nicht einmal Linguistin, kann mich also ebenso wenig wissenschaftlich fundiert über etymologische und semantische Feinheiten auslassen. Man darf mir vorwerfen, dass ich diesbezüglich weder die nötige Fachkompetenz noch umfangreiche Erfahrungen besitze. Vielleicht bin ich zu empfindlich und/oder habe keine Ahnung. All das räume ich ein.

 

Doch ich kann, ich darf empört sein, wenn ein beispielloser Gewaltakt gegen Kinder mit einem Terminus versehen wird, der möglicherweise juristisch, linguistisch, semantisch korrekt ist, der aus meiner Sicht aber die Schwere der Tat nicht angemessen widergibt. Eine Vergewaltigung ist eine Vergewaltigung, unabhängig vom Alter des Opfers. Deshalb meine Bitte an alle, die sich, sei es beruflich, sei es privat, mit diesem Thema auseinandersetzen: name it!

 

P. S. Bei den auf dem Foto dargestellten Covern handelt es sich um Bücher, die sich (auch) mit der Vergewaltigung von Kindern befassen:

 

Hanya Yanagihara: Ein wenig Leben. Deutsch von Stephan Kleiner. Hanser Berlin 2017. 960 S.

 

Hanya Yanagihara: Das Volk der Bäume. Deutsch von Stephan Kleiner. Hanser Berlin 2019. 480 S.

 

Adélaïde Bon: Das Mädchen auf dem Eisfeld. Hanser Berlin 2019. 240 S. (Rezension)

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