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Melanie Raabe: Die Wälder

Die Ärztin Nina erfährt, dass Tim, ihr Freund aus Kindertagen, unerwartet gestorben ist. Zuvor hat Tim unzählige Male versucht, sie zu erreichen. Nina soll Tims Schwester finden, die vor vielen Jahren spurlos verschwunden ist. Nina nimmt diese Aufgabe auf sich – doch dazu muss sie sich den Ängsten ihrer Vergangenheit stellen. Denn der Weg in ihre alte Heimatstadt führt durch die Wälder, in denen Tims Schwester einst verschwand …

 

(++ Achtung, (kleine) Spoilerwarnung ++)

Die Wälder verfügt im Grunde genommen über alle Zutaten, die man für einen Thriller braucht. Ein rätselhafter Vermisstenfall, ein Kindheitstrauma, eine bedrohliche Kulisse, verschiedene Handlungsebenen, verlorene und wiedergefundene Freundschaften, ein bisschen Coming-of-Age und eine Protagonistin, die sich alldem stellen will bzw. muss. Doch die Zutaten allein machen noch keinen Festschmaus – wie in diesem Roman, leider. Die Geschichte ist konstruiert, der vermeintlich erschütternde Vorfall aus der Vergangenheit bei näherer Betrachtung irgendwie gar nicht so erschütternd, die Auflösung entsetzlich banal, und der Zusammenhang zwischen den beiden Handlungsebenen erschließt sich versierten Thriller- bzw. Krimileser*innen auch ziemlich rasch. Dazu kommen Wendungen und Handlungselemente, die teils unfreiwillig komisch („Tims Geist“? Echt jetzt?!) und teils für den Fortlauf der Handlung völlig irrelevant sind (Das verborgene Camp).

 

Und auch in sprachlicher Hinsicht vermag Die Wälder leider nicht zu überzeugen, weder syntaktisch noch rhetorisch. Da sind beispielsweise die streckenweise ellenlangen, verschachtelten und holprigen Sätze und so manche verunglückte Metapher, z. B.:

 

„Winnie, die, wie jeder wusste, die Schlauste von ihnen war, versuchte wie immer, Peter dazu zu bringen, um die Autogrammkarte zu spielen, auf die er so stolz war, aber Peter war natürlich nicht blöd genug, seinen wertvollsten Besitz einzusetzen. […] Dann verteilten sie sich auf die verschiedenen Zimmer des kleinen Häuschens am Waldrand und spielten mit den Walkie-Talkies, die Kantes Onkel ihnen geschenkt hatte, nachdem sie sich bitterliche darüber beschwert hatten, dass ihre Eltern sich weigerten, ihnen eigene Handys zu kaufen.“ (S. 67). 

 

„Die Tulpen im Vorgarten hatten ihre roten und gelben Köpfe bereits weit geöffnet und tranken die Morgensonne in großen Schlucken.“ (S. 89)

 

Bei den Vergleichen sieht es leider auch nicht besser aus, sie sind leider wenig originell: Da gibt es Gedanken, „die herumflatterten wie Tauben“ (S. 337), und ein Hund, der einer Spur „mit der Präzision eines Uhrwerks“ (S. 351) folgt, und einen Raum, der „surrte wie von einem riesigen Bienenschwarm bevölkert“ (S. 409).

 

Ich habe bei Thrillern und Krimis keinen allzu hohen Anspruch an sprachliche Feinheiten – in diesem Genre stehen für mich die Handlung und die Spannung im Vordergrund –, doch für meinen Geschmack war in diesem Buch weder das eine noch das andere gegeben. Und so kann ich leider keine Leseempfehlung aussprechen. 

 

[Werbung/Rezensionsexemplar. Ich danke dem Bloggerportal von Random House herzlich für das mir zur Verfügung gestellte Exemplar.]

 

Melanie Raabe: Die Wälder. btb 2019. 426 S.


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