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Christine Féret-Fleury: Das Mädchen, das in der Metro las

Ein Buch, das in Paris spielt und vom Lesen handelt -das ist genau mein Buch!, dachte ich, als ich diesen Roman auf dem diesjährigen Bücherbummel entdeckte. Dachte ich …

Juliette fährt jeden Morgen mit der Metro zu ihrer langweiligen Arbeit bei einem Immobilienmakler, stets begleitet von einem Buch. Doch ebenso gern, wie sie liest, beobachtet sie andere Leser in der U-Bahn. Den Mann mit dem grünen Hut, der in einem Insekten-Lexikon liest. Die südländisch aussehende Frau mit dem Kochbuch. Die junge Frau mit den Liebesromanen, die stets auf Seite 247 anfängt zu weinen. Eines Tages steigt Juliette zwei Stationen früher aus, folgt einem unbekannten kleinen Mädchen in das versteckt liegende Antiquariat seines Vaters, er macht Juliette zu einem seiner ‚Kuriere‘, d.h., sie soll wildfremden Menschen das für sie passende Buch schenken, nachdem sie sie eine Weile beobachtet hat. Juliette kündigt ihren faden Job, zieht bei dem Antiquar und dessen kleiner Tochter ein, der Antiquar begibt sich auf eine ‚Reise‘, von der er nicht mehr zurückkehrt, woraufhin Juliette die Kleine zu ihrer Mutter begleitet, danach ihr Leben komplett umkrempelt und fortan mit einem Bücherbus in weit entlegene Dörfer fährt, um dort die Literatur unters Volk zu bringen. Klingt krude? Ist es auch. 

Trotz des wirklich hübschen Grundgedankens – das Lesen und Vermitteln von Literatur zum Lebenszweck zu erhöhen – konnte der Roman mich leider überhaupt nicht überzeugen. Die Hauptfigur blieb mir, wie übrigens nahezu alle Nebenfiguren, trotz ihrer Leseleidenschaft seltsam fremd und fern. Auch die Story wollte mich einfach nicht packen; es passiert ziemlich viel auf schlanken 170 Seiten, allerdings wirkt die Handlung dadurch nicht etwa dicht, sondern irgendwie ‚unfertig‘ – als handele es sich um den ersten Entwurf eines größer angelegten Romans, der indes nie richtig ‚zu Ende gedacht‘ und schon gar nicht vollendet wurde. Zu diesem Eindruck trugen auch ein paar Details bei, die mich gestört haben. So erscheint beispielsweise der Titel von Daphne du Mauriers Roman ‚Rebecca‘ mal in der englischen, an anderer Stelle in der französischen Schreibweise ‚Rébecca‘. Anfänglich heißt es, Juliette verwende dienstags die große Schultertasche, weil sie dann ihre Einkäufe erledige, und freitagsabends die kleine schwarze, wenn sie ins Kino gehe. Ein paar Kapitel später „hatte sie die Bücher in die große Schultertasche gelegt, die sie immer freitags benutzte“. Vielleicht ist das so ein ‚Lektorinnen-Ding‘ und fällt sonst niemandem auf, doch für mich hat es den Eindruck des ‚Unfertigen‘ zusätzlich unterstrichen. Deshalb leider keine Leseempfehlung von mir. 

 

Christine Féret-Fleury: Das Mädchen, das in der Metro las. Übersetzt von Sylvia Spatz. DuMont 2018. 176 S.


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