„Was willst du in München? Die Kunststadt in Deutschland heißt Düsseldorf.“
Mit diesen Worten, so heißt es, lockte der Bildhauer Reinhard Graner Anfang der Sechzigerjahre seinen Freund Gerhard Richter an den Rhein. Und dort nahm dessen beispiellose Karriere ihren Anfang: Im Rheinland gelangte Richters Werk zur Entfaltung, es war zugleich Ausgangspunkt und Testfeld für seine Kunst. Hier traf er nicht nur auf gleichgesinnte Künstlerkollegen wie Sigmar Polke und Georg Uecker, sondern auch auf eine neue Generation von Sammler*innen, die ebenso neugierig wie umtriebig aufstrebende Künstler*innen für ihre jungen Galerien in Düsseldorf und Köln entdeckten.
Schon 1964, noch ehe Richter sein Studium an der Kunstakademie abgeschlossen hatte, organisierte der Düsseldorfer Galerist Alfred Schmela die erste Einzelausstellung des Künstlers – was also, könnte man meinen, läge näher als eine Gerhard-Richter-Ausstellung in Düsseldorf, genau sechzig Jahre später?
So naheliegend der Gedanke auch sein mag: Diese Ausstellung ist etwas Besonderes. Und das nicht nur, weil es sich dabei um die umfassendste Gerhard-Richter-Ausstellung in Deutschland seit über zehn Jahren handelt, die das gesamte Spektrum seiner Kunst von den frühen Sechzigerjahren bis 2017 abbildet. Sondern vor allem, weil die rund 120 Werke, die der Düsseldorfer Kunstpalast ab heute zeigt, gemeinhin über Sofas und in Esszimmern, gelegentlich in Büros oder vereinzelt (ja, wirklich!) auf der Gästetoilette hängen … doch so gut wie nie in Museen: Sie stammen allesamt aus rheinischen Privatsammlungen und sind noch nie – oder allenfalls höchst selten – öffentlich gezeigt worden. Es handelt sich buchstäblich um verborgene Schätze, die selbst jenen Kunstinteressierten, die mit Richters Œuvre vertraut sind, neue Entdeckungen erlauben.
Der Schwerpunkt der chronologisch und thematisch geordneten Ausstellung, die Markus Heinzelmann, Professor für Museale Praxis an er Ruhr-Universität Bochum, kuratiert hat, liegt auf der Gattung Malerei. Ausgehend von Richters ersten, schwarz-weißen Fotobildern werden die Besucher*innen über die strengen Farbtafeln und grauen Bilder (die „zugestrichenen Leinwände“, wie Gerhard Richter sie einst nannte) zu den monumentalen Landschaften und Abstraktionen bis zu den letzten ungegenständlichen Werken des Künstlers geführt. Was sie dabei erleben, ist, wie Generaldirektor Felix Krämer betont, indes keine Retrospektive, sondern „eine Bestandsaufnahme, ein Ist-Zustand“.
Wie manchen auffallen dürfte, bleiben die meisten Sammler – verständlicherweise – anonym. Dabei handele es sich indes nicht nur um „wahnsinnig wohlhabende Menschen“, erläutert Krämer; tatsächlich seien viele Werke zu einer Zeit erworben worden, als sie preislich noch durchaus erschwinglich waren. Man möge bei der Betrachtung der Werke deshalb auch einmal auf die unterschiedlichen Rahmen achten: Sie gäben bisweilen einen kleinen Hinweis darauf, in welchem Ambiente ihre Inhalte sich normalerweise befänden. – Damit dürfte es sich zugleich um eine der persönlichsten, privatesten Ausstellungen handeln, die ein Museum je präsentiert hat. Sehr, sehr große Empfehlung!
GERHARD RICHTER. VERBORGENE SCHÄTZE: Werke aus rheinischen Privatsammlungen läuft ab heute bis zum 2. Februar 2025 im Kunstpalast in Düsseldorf. Die Ausstellung wird von einem umfangreichen Begleitprogramm flankiert (alle Termine finden sich auf der Homepage des Museums). Besonders erwähnenswert ist der Audioguide mit informativen Besprechungen und faszinierenden Hintergrundgeschichten zu ausgesuchten Werken, eingesprochen von Sänger und Musiker Christian Friedel (erhältlich u. a. in der App des Kunstpalasts).
GERHARD RICHTER. VERBORGENE SCHÄTZE: Werke aus rheinischen Privatsammlungen
5. September 2024 – 2. Februar 2025
Kunstpalast
Ehrenhof 4–5
40479 Düsseldorf
Di bis So 11 bis 18 Uhr, Do 11 bis 21 Uhr;
Mo geschlossen
Eintritt 16 €, ermäßigt 12 €
Kinder unter 18 haben freien Eintritt.
Ticketverkauf online wird empfohlen!
Kommentar schreiben