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Ausstellung "Mehr Licht" im Museum Kunstpalast

"Gegen Streß, Kummer, Eifersucht, Depression
empfiehlt sich die Betrachtung von Wolken."
(Hans Magnus Enzensberger, 2003)

 

Malerei: eine Kunst, die das Gesehene verewigt, es festhält. Was aber, wenn das Geschaute seinem Wesen nach flüchtig ist, in Bewegung und in stetiger Veränderung begriffen – so wie Wolken oder Wellen, Wind oder Licht?

Die von Florian Illies kuratierte Ausstellung im Museum Kunstpalast in Düsseldorf (co-kuratiert von Anna Christina Schütz) widmet sich genau dieser Fragestellung. Ab 1820 widmeten sich Künstler*innen dem Ephemeren in der Natur, festgehalten in der neuen Technik der Ölstudie. Ich muss gestehen, dass dies gemeinhin nicht die Art von Kunst ist, für die mein Herz höherschlägt. Wie gut, dass ich meine anfänglichen Bedenken über Bord geworfen habe! Denn ich wurde mit unzähligen Eindrücken belohnt, die ich mir nicht einmal ansatzweise hätte – nun ja: ausmalen können.

Carl Blechen (1798–1840): Landstraße im Winter bei Mondschein. Öl auf Holz (nach 1829)
Carl Blechen (1798–1840): Landstraße im Winter bei Mondschein. Öl auf Holz (nach 1829)

Beim Betrachten der Bilder, die, wie man erfährt, von ihren Schöpfer*innen ursprünglich ausschließlich für den Privatgebrauch gedacht waren, eröffnet sich ein mitunter völlig neuer Blick auf unterschiedlichste Naturphänomene: Wolken über Meeren oder Feldern, mal lieblich weiß, mal abendlich purpurn, dann wieder dunkel dräuend. Der Winkel des Nachmittagslichts, das durch die Bäume eines italienischen Parks scheint, warm und pudrig. Das gesplitterte Holz an der Bruchstelle eines geborstenen Baums, zugleich zart und schartig. Der Vollmond, der im Winter den Schnee aufleuchten lässt, verträumt und milchig.

Alexandre Calame (1810–1864): Gestürzter Baum, vom Blitz getroffen. Öl auf grundiertem Papier (c. 1837)
Alexandre Calame (1810–1864): Gestürzter Baum, vom Blitz getroffen. Öl auf grundiertem Papier (c. 1837)

Erst da wurde mir bewusst, wie sehr unsere heutigen Sehgewohnheiten von diesem für seine Zeit revolutionären Blick auf die Natur beeinflusst worden sind; bisweilen war es kaum zu glauben, dass das, was ich sah, vor beinahe 200 Jahren geschaffen wurde … 

Die in Deutschland bislang einzigartige Schau – es ist hierzulande das erste Mal, dass der Ölstudie ein solches Forum geboten wird – präsentiert rund 170 Werke von 75 Künstler*innen und läuft noch bis zum 7. Mai 2023 (es ist also Eile geboten). 

Salvatore Fergola (1799–1874): Polarlichteffekte. Öl auf Leinwand (1848)
Salvatore Fergola (1799–1874): Polarlichteffekte. Öl auf Leinwand (1848)

PS: Mein ganz persönliches Highlight der Ausstellung (auch wenn das angesichts der Fülle und Vielschichtigkeit kaum definiert werden kann) ist das Bild „Polarlichteffekte“ Salvatore Fergolas: Der feuerrot lodernde Schein im Kontrast zu der scherenschnittartig wirkenden Silhouette von Häusern und Bäumen – unnachahmlich und unbeschreiblich.

 

 

Ausstellung: Mehr Licht. Die Befreiung der Natur. 
Museum Kunstpalast Düsseldorf.

Nur noch bis zum 7. Mai 2023. 

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