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Wandelgeist: Erntedank #1

Jetzt beginnt die Zeit der Erntedankfeiern.

 

Die christlichen Kirchen feiern Erntedank stets am 1. Sonntag im Oktober, dann ist der Altarraum oftmals ebenso kunstvoll wie üppig mit Ernteerzeugnissen, mit Getreide, Obst und Gemüse dekoriert. Doch obgleich das Erntedankfest zu den ältesten religiösen Bräuchen der Kirche gehört und schon im ersten Buch der Bibel eine Art Erntedank in Form von Dankesopfern beschrieben wird (vgl. Genesis 4: Kain opfert Früchte, Abel ein Tier seiner Herde), ist es beileibe kein genuin christliches Fest. Vielmehr wurden bereits in vorchristlicher Zeit Dankesfeiern für die Früchte der Erde, die Erzeugnisse der Ernte abgehalten, und das durch alle erdenklichen Kulturen hinweg: Im Römischen Reich wurde ebenso wie im antiken Griechenland den Göttern feierlich für die Ernte gedankt, die Germanen zelebrierten „Tamfana“, die Iren „Blas an Fhomair“, und im hohen Norden feierte man „Dísarblót“.

 

So unterschiedlich die kulturellen Zusammenhänge und die spezifischen Ausformungen der Feierlichkeiten auch gewesen sein mochten, so hatten sie eines gemeinsam: Die Menschen feierten gemeinsam und dankten (Gott, der Natur, der Mutter- oder Erdgöttin …) für die Ernte – die nichts weniger als ihr Überleben sicherte.

 

In unserer heutigen Zeit und unserem westlichen Kulturkreis, da Nahrungsmittel das ganze Jahr über in ausreichendem Maß verfügbar sind, mag uns der Gedanke an das „wirkliche“, sprich: das physische Überleben fernliegen. – „Gott sei Dank!“, möchte man, vielleicht ein wenig floskelhaft, ausrufen. Doch ist das nicht tatsächlich ein Grund, dankbar zu sein? Dabei spielt es meiner Ansicht nach keine Rolle, wem oder was man dankt. Für die einen ist es Gott, für die anderen die Große Göttin, das Universum, die Unendliche Weisheit, das Schicksal, der Zufall … such es dir aus. Dankbarkeit sollte, finde ich, von keinem Dogma, keiner Ideologie, keinem wie auch immer gearteten kulturellen Überbau abhängig sein.

 

Was ich indes wichtig finde, ist, das Gefühl der Dankbarkeit einmal – besser noch viele Male oder gar regelmäßig – ganz bewusst wahrzunehmen, ihm nachzuspüren und sich zu fragen: Wofür bin ich dankbar? Ob im Rahmen einer Meditation oder in Form eines Dankbarkeits-Tagebuchs, ja, vielleicht auch als Gebet in der Kirche: Was am besten passt, passt.

Ich habe mir angewöhnt, einmal am Tag, meistens abends vor dem Einschlafen, kurz Danke zu sagen: für den Tag, dafür, dass ich gesund bin, dass es meinen Lieben gut geht, dass ich in Frieden leben darf oder, oder, oder … (Um ehrlich zu sein: Ich habe mich auch schon dafür bedankt, dass ich eine Bahn im letzten Augenblick erwischt habe. Und vielleicht, ganz, ganz, ganz vielleicht, war ich auch schon mal dankbar dafür, dass meine Haar gut saß … – du siehst: Es gibt immer einen Anlass.)

 

Wie ist das bei dir? Wofür bist du dankbar? Äußerst du deine Dankbarkeit? Und wenn ja, wie? Wenn du magst, hinterlass mir gerne einen Kommentar; das würde mich freuen – und dankbar machen.

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