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Aude: Das Wanderkind

Es ist der Alptraum jeder werdenden Mutter: Irgendetwas stimmt nicht … 

Corinne erwartet Zwillinge, indes: „Vor zwei Wochen hat der Frauenarzt die endgültige Diagnose gestellt: Der Blutaustausch zwischen den Föten sei gestört. Der eine, den man zunächst für bedrohter gehalten habe, sei überraschend gewachsen und habe sich alles einverleibt, während der andere, anfangs kräftigere, langsam verkümmert sei, weil er sein eigenes Blut dem Zwilling übertragen habe“. (S. 7 f.)

Was endgültig klingt, mündet jedoch in eine Überraschung: Beide Zwillingsbrüder überleben, der eine groß und kräftig, der andere zart und empfindlich, auf ewig miteinander verbunden durch ein unsichtbares, unauflösliches Band. Doch was ist Stärke überhaupt? – Das, was man von außen, was man körperlich erkennt? Und was ist Liebe? – Zusammenhalt? Symbiose? Abhängigkeit?

 

Claudette Charbonneau (1947–2012), genannt Aude, gilt als eine der wichtigsten frankokanadischen Autorinnen, ist hierzulande indes weitgehend unbekannt. Umso mehr ist dem Alfred Kröner Verlag zu danken, dass er diese Ausnahmeerzählerin einem deutschsprachigen Publikum zugänglich macht. Audes Roman „Das Wanderkind“ (aus dem kanadischen Französisch von Ina Böhme) ist eine Geschichte über nichts weniger als die Liebe, ihre Ausprägungen und ihren Schmerz: die Liebe zwischen Geschwistern, die Liebe zwischen Eltern und Kindern, die Liebe zwischen Mann und Frau. Behutsam und berührend, eindringlich und herzzerreißend. Ein ganz besonderes Leseerlebnis, das auch lange nach der Lektüre nachklingt.

 

[Werbung/Rezensionsexemplar. Ich danke dem Alfred Kröner Verlag herzlich für das mir kostenlos zur Verfügung gestellte Leseexemplar.] 

 

Aude: Das Wanderkind. Aus dem kanadischen Französisch von Ina Böhme. Alfred Kröger Verlag 2021. 141 S.

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