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'Davor' und 'Danach'

„Nichts ist so beständig wie der Wandel.“
(Heraklit)

 

Alles wandelt sich. Die Welt. Das Leben. Wir. Manchen Wandel spüren wir nicht einmal: Ein Mensch verliert bis zu 40.000 Hautzellen - pro Minute (!). Und ebenso viele entstehen zur selben Zeit auch wieder neu. Andere Wandel sind gewünscht und werden von uns selbst herbeigeführt: Das kann der Wechsel der Arbeitsstelle sein, der Wohnung, des Menschen, mit dem wir zusammenleben möchten. Oder, viel banaler, der Wechsel des Haarschnitts oder der Haarfarbe. Wieder andere Wandel liegen nicht in unserer Hand. Sie können unser Glück mehren; wenn man sich neu verliebt und diese Liebe erwidert wird, wenn wir unerwartet ein Geschenk, sei es materiell oder – noch schöner – immateriell, erhalten: der unerwartete Anruf der Freundin, von der man schon so lange nichts mehr gehört hat, die blühenden Apfelbaumzweige, die einem die Nachbarin vor die Tür legt, der Auftrag des Kunden, auf den man schon nicht mehr zu hoffen wagte. Sie können uns aber auch ins Unglück und in tiefste Verzweiflung stürzen: die Diagnose, die, zumindest vorläufig, die Lebenspläne zunichte macht, ein Unfall, der Verlust des Arbeitsplatzes, der Tod eines geliebten Menschen. 

 

Der bewusst herbeigeführte, der erwünschte und der beglückende Wandel ist uns willkommen. Der Wandel, der sich unserer Kontrolle entzieht, der unserem Leben eine unerwünschte, traurige, tragische Wendung gibt, ist es nicht. Er stellt eine Zäsur dar, er teilt unser Leben unwiederbringlich in ein ‚Davor‘ und ein ‚Danach‘. Diesem Wandel zu begegnen, ist eine große Herausforderung, und ich wünsche allen, die sich einem solchen Wandel gegenübergestellt sehen, Mut, Zuversicht und Kraft. 

 

Niemand von uns ist unbesiegbar oder unverwundbar, niemand von uns ist davor gefeit, eines Tages möglicherweise selbst in einer solchen Situation zu sein. In gewisser Weise haben wir alle, bedingt durch die Corona-Krise, plötzlich diesen Zustand des ‚Danach‘. Wir erleben eine Form des Kontrollverlusts, die Unmöglichkeit, unser Leben in gewohnter Weise zu gestalten, uns zu entfalten, uns ‚frei‘ zu fühlen. Doch dieser unfreiwillige kollektive – und dankenswerterweise auch zeitlich begrenzte – Zustand des ‚Danach‘ bietet, wie ich im vorherigen Beitrag schrieb, auch eine Chance für uns. Ich möchte euch einen kleinen Impuls geben:

 

Nimm dir eine Viertelstunde Zeit und versuche sicherzustellen, dass du in diesen fünfzehn Minuten ungestört bist.
Wenn du magst, stelle dir einen Timer.
Suche dir nun einen ruhigen Platz, an dem du dich wohlfühlst: dein Lieblingssessel, die Couch, dein Bett.
Mache es dir bequem und atme fünfmal tief ein und aus. Spüre, wie dein Puls sich beruhigt.
Jetzt erinnere dich daran, wie deine ‚Davor’-Zeit aussah.
Hast du sie so gestaltet, wie du es dir wünschst? Hast du sie achtsam erlebt? Oder hast du dich ablenken, vereinnahmen, verwirren lassen?
Lasse die Gedanken und Erinnerungen, die nun in dir aufsteigen, an dir vorbeiziehen.
Bewerte sie nicht. Nimm sie nur wahr. Spüre in dich hinein.
Am Ende der Viertelstunde atme wieder fünfmal tief ein und aus. 

 

Vielleicht spürt ihr eine Veränderung in euch? Vielleicht ist auch alles so, wie es vorher war? Bewertet nicht, nehmt nur wahr.

 

Seid behütet.

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