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Das "Gesetz" der Anziehung (?)

Warum scheinen manche Leute das Glück förmlich anzuziehen – und andere das genaue Gegenteil? Unter spirituellen, teils auch esoterisch orientierten Menschen liegt die Antwort auf diese Frage klar auf der Hand: Es ist das Spirituelle Gesetz der Anziehung bzw. der Resonanz. Es besagt, ganz vereinfacht ausgedrückt, dass man das zurückbekommt, was man aussendet. Und man könnte weitergehen und sagen: Was ich aussende, ist das, wovon ich in meinem tiefsten Inneren überzeugt bin. 

 

Es scheint, als sei dieses „Gesetz“ allgegenwärtig. Man findet es in der Bibel genauso wie in Sprichwörtern:

 

„Denn was der Mensch sät, das wird er ernten.“ (Galater 6,7)

 

Florence Scovel Shinn, die vielen als spirituelle Lehrerin gilt, legt diese Bibelstelle wie folgt aus:

 

„Das bedeutet, was immer der Mensch aussendet, ob in Worten oder in Taten, wird zu ihm zurückkehren; was er gibt, wird er erhalten: Gibt der Mensch Hass, wird er Hass erhalten; gibt er Liebe, wird er Liebe erhalten; kritisiert er, so wird er kritisiert; lügt er, so wird er belogen; betrügt er, so wird er betrogen.“

 

(Das Spiel des Lebens, S. 4f. - Die von mir editierte Fassung bekommt ihr hier)

 

Diese Haltung oder vielmehr Überzeugung ist beinahe Allgemeingut, denn auch ein bekanntes Sprichwort besagt:

 

„Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es auch heraus.“

 

Doch ist das wirklich so einfach? Um ehrlich zu sein: Ich weiß es nicht. Und tatsächlich finde ich, dass man mit solchen Aussagen sehr vorsichtig umgehen muss. Denn was sagt dieses Gesetz über jene Menschen aus, die aus irgendeinem Grund unglücklich sind? Die ihren Job oder, noch schlimmer, einen lieben Menschen verloren haben? Die eine niederschmetternde Diagnose bekommen haben? Denen es allgemein nicht gut geht, die keine Hoffnung haben, keinen Sonnenstrahl sehen? Dem Resonanzgesetz zufolge sind sie, ob bewusst oder unbewusst, an ihrer Lage selbst schuld. Und das ist eine Haltung, die ich persönlich nicht nur nicht nachvollziehen kann, sondern die ich für hochgradig gefährlich halte. 

 

Andererseits finde ich die Idee, dass man es – in positiver Hinsicht – selbst in der Hand hat, was einem entgegengebracht wird, durchaus charmant. Denn haben wir nicht alle schon die Erfahrung gemacht, dass wir, wenn wir jemanden anlächeln, eher ein Lächeln zurückbekommen, als wenn wir ihn mürrisch angrunzen? Und ist es nicht so, dass wir respektvoller behandelt werden, wenn wir andere – und vor allem uns selbst! – respektvoll behandeln?

 

Ob das Resonanzgesetz funktioniert oder nicht: Ich bin der Überzeugung, dass es, achtsam und wohlwollend angewandt (!), zumindest niemandem schadet, weder jenen, die es anwenden, noch denen, auf die es sich richtet. Und dass es, im Gegenteil, durchaus dazu beitragen kann, das eigene Wohlbefinden zu steigern. Und wer weiß? Vielleicht wirkt es ja doch …

 

Seid behütet.

 

Florence Scovel Shinn: Das Spiel des Lebens und seine Spielregeln (The Game of Life and How to Play It). Herausgegeben, neu übersetzt und mit umfassenden Anmerkungen versehen von Yvonne Caroline Schauch. 2019 (NUR Kindle-E-Book!) 

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